Für wirkliche Wende müssen wir Denkfehler beim Deutschland-Ticket beseitigen

Es ist Fakt, dass für Berufspendler bei der Wahl eines Verkehrsmittels die Gesamtreisezeit, also die für die Beförderung von Haustür zu Haustür benötigte Zeit, von zentraler Bedeutung ist. Der Preis ist hingegen bei Dauernutzern und Berufspendlern kein bestimmendes Kriterium für die Wahl eines Beförderungsmittels. Das Deutschlandticket sollte eigentlich dafür sorgen, dass viele Menschen vom Auto auf Bus und Bahn umsteigen.

Es sieht allerdings danach aus, dass die für den Fahrschein verantwortliche Politik so stark unter dem Einfluss von Lobbyisten steht, dass Milliarden von Steuergeldern nicht zweckmäßig für die Mobilitätswende verwendet werden.

Der Denkfehler: Für eine „Revolution“ reicht das Netz auf dem Land nicht aus

Will man PKW-Fahrer zum dauerhaften Umstieg auf den klimafreundlichen öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV) bewegen, bedarf es einer nachhaltigen und umfassenden Verbesserung der Angebotsqualität. Besonders für den ländlichen Bereich mit seinem sehr hohen PKW-Pendler-Anteil heißt das: Eine Infrastruktur mit einem ÖPNV-Netz aufbauen, damit Verbraucher nicht länger gezwungen sind, Auto zu fahren.

Gerade in großen, dünn besiedelten Gebieten lässt sich an der Kompetenz in Mobilitätsfragen zweifeln, wenn Politiker im Zusammenhang mit dem Deutschlandticket von einer „Revolution“ sprechen. Kurzum, für eine Mobilitätswende wäre es erforderlich, die wahren Ursachen für die Ablehnung von Bus und Bahn anzugehen. Es fehlten bisher jedoch politische Entscheidungsträger mit strategischer Weitsicht.

Die wahren „Klimasünder“ sitzen in der Politik

Überspitzt formuliert lassen sich diejenigen Akteure, die für die Verschwendung der für die Mobilitätswende erforderlichen Mittel verantwortlich sind, als „Klimasünder“ bezeichnen.

Denn die Protagonisten und Nutznießer dieser Politik agieren aus Eigeninteresse und letztlich mit großem Schaden für die Umwelt, da sie Mittel nicht dort einsetzen, wo sie bekanntermaßen die größten Verlagerungspotenziale heben. Verwundert reibt man sich die Augen, wenn führende Vertreter der Flatrate-Politik nach der „Tarifoffensive eine Angebotsoffensive“ im ländlichen Raum fordern.

Beim „Klimaticket“ wurde nur beim Preis angesetzt, um Mängel in Angebot und der Qualität zu kaschieren. Wer im ÖPNV Verantwortung trägt und in der Regel dafür auch gut bezahlt wird, hätte unabdingbar wissen und dann auch ehrlicherweise kommunizieren müssen: Das 9-Euro-Ticket ist im vergangenen Jahr zwar „unglaublich oft“ verkauft worden, aber viele haben es eben selten genutzt und dann überwiegend im Freizeitverkehr.

9-Euro-Ticket kam vor allem Menschen in der Stadt zugute

Das 9-Euro-Ticket war im ländlichen Raum ein Ladenhüter und führte mangels kundengerechten Angebots nicht zu einer Änderung, nicht zu einem klimagerechteren Mobilitätsverhalten. Das Deutschlandticket kommt ebenfalls eher Menschen in Stadtzentren und „Speckgürteln“ zugute, die den ÖPNV auch vorher schon intensiv genutzt haben. Die hohe Abo-Zahl zu bejubeln, lenkt von den wahren Ursachen einer verfehlten und klimaschädlichen ÖPNV-Politik ab.

Sicherlich wurden durch das 9-Euro-Ticket einige neue Kunden hinzugewonnen, gleiches gilt für das Deutschlandticket. Es kam jedoch insgesamt zu keiner nennenswerten Verkehrsverlagerung und auch jetzt ist eine solche nicht zu erwarten.

Die durch diese Flatrates verschwendeten Steuermittel fehlen bei der Substanzerhaltung und beim Ausbau des ÖPNV. Das Deutschlandticket ist zudem keine Tarifrevolution. Es findet eine Fragmentierung in Form einer Rabattschlacht, Zusatztickets und Sondertarifen statt.

Die Strukturprobleme des ÖPNV verhindern eine Wende

Man könnte das auch als Machtdemonstration der Besitzstandswahrer auf der dezentralen Ebene ansehen. Kurzum: Der ÖPNV hat schon lange grundlegende ungelöste Strukturprobleme, die eine Mobilitätswende behindern.

Die den heutigen ÖPNV beherrschenden Akteure haben vielfach vergessen, Diener im Interesse der Kunden und nicht Bediener der eigenen Interessen zu sein, was man an der immer weiter wachsenden ÖPNV-Bürokratie gut erkennen kann. Vielfach wächst die Zahl der öffentlich Bediensteten ÖPNV-Planer schneller als die Zahl der Fahrgäste. Schutz vor Wettbewerb und das „Hineinregieren“ durch die Politik, die institutionellen und persönlichen „Verflechtungen“, sind die großen Hindernisse auf dem Weg zur notwendigen Mobilitätswende.

Der ÖPNV-Markt ist durch staatliche Regulierungen, vorherrschenden kommunalen Betrieben und Staatsmonopolen gekennzeichnet. Die zahlreichen „Verkehrsverbünde“, mitunter als „Fürstentümer“ bezeichnet, tragen zu den kleinteiligen und verkrusteten Strukturen bei. Damit der ÖPNV endlich eine kundenorientierte Innovationsdynamik entfaltet und die Mobilitätswende Wirklichkeit wird, bedarf es einer Durchsetzung der Sozialen Marktwirtschaft mit dem Wettbewerb als Funktionsprinzip.

Es gibt keine Rechtfertigung für die Befreiung von Wettbewerb

Der künstlichen Bewahrung von Strukturen zum persönlichen Vorteil durch z.B. einen Erhalt überkommener Strukturen ist ein Ende zu setzen. Es gibt keine belastbare Rechtfertigung, warum ein kommunaler ÖPNV-Betrieb und dessen Mitarbeiter von einem wettbewerblichen Verfahren „befreit“ sind, während private Unternehmen mit ihren Mitarbeitern bei vergleichbarer Leistung sich dem Wettbewerb stellen müssen.

Der Staat darf nicht mehr für Einzelinteressen vereinnahmt werden, wenn beispielsweise die Führungsetage öffentlicher Betriebe und Gesellschaften Bezüge und vor allem Versorgungsleistungen erhält, die weit über das in der privaten Wirtschaft übliche hinausgehen.

Wollen die Akteure überhaupt Klimapolitik?

Zusammenfassend: Wettbewerb nicht nur in Sonntagsreden zu predigen, sondern auch in der Praxis herbei zu führen, heißt nichts anderes, als die Machtfrage zu stellen. Geben wir die Mittel zur Förderung des ÖPNV nicht in die Hände derer, die zum Beispiel „Tempel“ bauen, immer mehr Organisationen (z. B. Ticketgesellschaften, Digitalisierungsgesellschaften und Fahrgesellschaften) schaffen, und in diesen immer weiter ausufernden Strukturen Aufgaben erledigen, die bei einer effizienten Ausgestaltung mit einem Bruchteil des Aufwandes erledigt werden könnten.

Es stellt sich nicht erst jetzt die grundsätzliche Frage: Können die Verkehrsakteure – einschließlich der politischen Entscheider – überhaupt Klimapolitik, wollen sie überhaupt Klimapolitik?

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